Vijeltchen

Et såß e kli wäld Vijeltchen

af enem gränen Nästchen.
Et sång de gånz Wänjternocht,

de Stämm, dä mosst em klänjen.

"Sänj ta mer mih, sänj ta mer mih,

ta klenet wäldet Vijeltchen!
Ech wäll der schreïwen af denje Flijel

mät giëlem Guld uch gräner Segd."

"Hålt ta de’ Guld, hålt ta denj Segd,

ech wäll der nemmih sänjen.
Ech bän e kli wäld Vijeltchen,

und nemmest kån mich zwänjen."

"Gånk ta eruof äm deffen Duof,

der Reif wird dech uch dräcken."
"Dräckt mech der Reif, der Reif äs kålt,

Frä Sann wird mech erquäcken."


(Trad. aus Siebenbürgen, Rumänien)


Vögelein

Es saß ein klein wild Vögelein
auf einem grünen Ästchen.
Es sang die ganze Winternacht
mit heller, klarer Stimme.

"Oh, sing mir mehr! Oh, sing mir mehr,
du kleines wildes Vögelein,
so will ich deine Flügel kleiden
in gelbes Gold und grüne Seiden."

"Behalte Gold und Seide dein,
dir will ich nie mehr singen!
Ich bin ein wildes Vögelein,
und keiner kann mich zwingen."

"Doch fliegst du auf aus tiefem Tal,
so wird der Reif dich zwicken."
"Und zwickt mich auch der Reif so kalt,
Frau Sonne wird mich erquicken."


(Nachdichtung: Holger Saarmann)





Little wild Bird

A tiny little bird, untamed,

sat on a twig of green.

It sang throughout the winter night,

its voice did sound so sweetly.

"Oh, sing me more, just sing me more,

thou tiny little wild bird.

Upon thy wings, thy wings I'll write

with yellow gold and silk of green."

"Just keep your gold and keep your silk,

for you, I'll sing no more.

I am a little wild bird

and no one's ever forcing me."

"The vale is deep, come down to me,

the hoar-frost will oppress thee."

"If cold hoar-frost oppresses me,

Lady Sun will refresh me."


(Trad. from Transylvania,

Translation by Holger Saarmann, 2005)



Dieses mittelalterliche Lied in Siebenbürgisch Sächsisch lernte ich samt korrekter Aussprache von dem Sänger, Schauspieler und Germanisten Kurt Markel, einem gebürtigen Klausenburger. Weitere Kenntnisse über Dialekt und traditionelle Lieder der Rumäniendeutschen verdanke ich seinem Vater Michael Markel, ebenfalls Germanist. Der Originaltext folgt seiner Anthologie "Es sang ein klein Waldvögelein – Siebenbürgische Volkslieder, sächsisch und deutsch" (Dacia Verlag: Cluj 1973).

Meiner englischen Übersetzung habe ich versucht, ein singbares Metrum zu geben.

Weitere siebenbürger Lieder sind in Vorbereitung, aber ich würde Kurt wünschen, daß er mir zuvorkommt!
Von ihm erhielt ich einige Aussprachehilfen, die ich hier weitergeben möchte:


Vokale tendenziell eher kurz:  "klenet" ("kleines") sprich "klönnöt"

(Lange Vokale in "gränen", "gånz", "(Wänjter)nocht", "Guld") 

å – wie im Schwedischen, bzw. engl. "call" oder "want", immer lang.

e – in unbetonter Silbe immer ganz dunkel (engl. curve), länger und deutlicher als im Deutschen.

Auch "der" (= unbetonte Form von "dir"): "dörr"

j = oft Aufweichungszeichen für Konsonanten: besonders "n" = nasal aufgeweichtes "ñ", ähnlich wie im Spanischen.

Aber: "Vijeltchen" = volles "j"

r – Zungen-R wie im Fränkischen

ië – sprich: i-e (giëlem)


Der siebenbürger Dialekt hat mit dem Sächsischen nichts zu tun, sondern ist dem Luxemburgischen eng verwandt. Teils aus Flandern, teils aus Moselfranken stammten die Menschen, die um 1150 nach Transsilvanien, das "Land jenseits der Wälder", übersiedelten.  (Lat. trans silva = jenseits der Wälder)

Dieses Lied könnte noch aus jener Zeit stammen.





I learnt this medieval song in
Transylvanian Saxon (and its correct pronounciation) from the singer, actor and germanist Kurt Markel, a native of Klausenburg (Cluj). Further knowledge about dialect and traditional songs of the Romanian Germans I owe to his father Michael Markel, also a germanist. The original lyrics and the High German translation refer to his anthology "Es sang ein klein Waldvögelein – Siebenbürgische Volkslieder, sächsisch und deutsch" (Dacia Verlag: Cluj 1973).

I tried to give my English translation a singable metrum. (Corrections welcome!)

Further Transylvanian songs are to be prepared, although I would like to see Kurt to obviate me!
He gave me the pronounciation helps you find above.

The Transylvanian dialect has nothing to do with the Saxon dialect around Leipzig and Dresden, but is closely related to the Luxemburgian.

It was probably ethnic groups from Mosel Frankonia and Flandern who, around 1150, settled in Transylvania, the "land beyond the woods".

(Lat. trans silva = beyond the woods)

This song could well be a relict of those times.




                                       




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